Christian Steyer liest die schönsten Tiergeschichten von Peter Hacks

Von Rainer Kasselt in Sächsische Zeitung

Da haben sich zwei gesucht und spät gefunden: der geniale Dichter und sein charismatischer Interpret. Peter Hacks ist seit 15 Jahren tot und bereits zum Klassiker geworden. Seine Lyrik, Essais und Dramen gehören zum Nobelsten, was die deutsche Sprache kennt. Christian Steyer ist mit 71 höchst lebendig und ungemein produktiv. Er ist die legendäre Stimme der MDR-Zoodoku »Elefant, Tiger & Co.« und als vielseitiger Schauspieler und Komponist gefragt. Beide Künstler vereint Freude an Verstand und Fantasie, Lust an Spaß und Spiel. Steyer hat die schönsten Tiergeschichten des Dichters auf einer klugen und witzigen CD eingelesen. Sie bietet Kunstgenuss und Kurzweil für große und kleine Kinder.

Peter Hacks, geschult an Fabeln von Äsop und Lessing, zielt mit den sprechenden Tierfiguren auf menschliches Verhalten. Er erzählt von vergesslichen Igeln, neunmalklugen Rotschwänzen, schwer erziehbaren Raupen – nicht, ohne ans Ende eine pointiert formulierte Moral zu setzen. Der Autor ist fest überzeugt, Literatur solle Kindern auf dem Weg ins Leben einen »Triebvorrat zum Guten« mitgeben. Vergnüglich versteckt er Werte wie Anstand, Wahrheit, Mut, Liebe und Solidarität in den Texten. Im Gedicht »Ich sehe was, was du nicht siehst« wendet er sich an das „gescheite Kind“, das in Wald und Feld, bei Maus und Spatz, die Augen offenhält. Sonderbare Dinge geschehen: Eine Grille spielt Geige, die Katze raucht Pfeife, der Frosch hat Grippe. Schmetterlinge streiten sich erbittert über die Erziehung. Mütterlich sanft meint das Weibchen: »Mit Güte und Geduld erreicht man alles.« Väterlich streng erwidert der Partner: »Ein Kind hat zu gehorchen, Prügel haben noch keinem geschadet.« Die Raupe macht sich einen Reim darauf und sucht das Weite.

In der titelgebenden Ballade »Das musikalische Nashorn« wird das Wunder der Poesie, die Kraft der Kunst gefeiert. Ein junges Nashorn schwärmt früh für alles Schöne, besonders »für die Kunst der Töne« und übt auf seinem Horn ein Konzert von Haydn. Anfangs von den alten Bullen verachtet, gelangt es zu hohem Ansehen, weil es die Löwen mit Musik verzaubert und friedlich stimmt. Die Löwen verzichten fortan auf die Jagd nach Fleisch und fressen nur mehr »Erbsmus oder Ananas«. Unverkennbar, dass Hacks sich von Mozarts »Zauberflöte« inspirieren ließ, wo durch das holde Flötespielen »selbst wilde Tiere Freude fühlen«.

In »Leberecht am schiefen Fenster« vertreibt der muntere Knabe Leberecht die Langeweile, indem er sich Geschichten ausdenkt. Er verhilft einem listigen Kätzchen zu einer goldenen Uhr und trickst die boshafte dicke Frau Probst aus. Gerechtigkeit muss sein. Wenn schon nicht im Leben, dann wenigstens in der Literatur.

Christian Steyer ist der ideale Vorleser von Hacks’ heiteren und tiefsinnigen Stücken. Seine volle, satte Stimme, mal keck, stöhnend oder empört, ergreift Partei für das Wahre, Gute und Schöne. Er flüstert, als enthülle er gerade ein Geheimnis. Er setzt Pausen, als schenke er dem Hörer Zeit, nachzudenken, wie die Sache weitergeht. Er schlüpft in andere Figuren, als sei er der gemütlich sächselnde Bäcker Semmelkorn in der »Leberecht«-Begebenheit. Höhepunkt in Steyers Vortragskunst: Sein tiefes Brummen als trunkener Meister Petz in der wunderbaren Schnurre »Der Bär auf dem Försterball«. Das hört sich so an, wie es Hacks beschreibt: »Sein Bass war so tief wie die Schlucht am Weg, in die die Omnibusse fallen.«

Ja, hier haben sich zwei gefunden, die fabelhaft zusammenpassen. Ein Lob gilt dem Eulenspiegel Verlag, der die Begegnung auf dem Hörbuch möglich machte.