Droste und Hacks

Wiglaf Droste und Hacks - das denkt sich auf den ersten Blick
schwer zusammen. Hier der formvollendete sozialistische Klassiker,
dort der anarchisch-satirisch dichtende und singende Bürgerschreck. Aber gerade hier hat es Berührung und Respekt gegeben: in der
heiter-ironischen Haltung zur Welt, in der Ablehnung kapitaldominierter Medienkunst, in der souveränen Sprach- und Formbeherrschung (Berührungspunkte, die es auch mit andern Künstlern im Westen gibt: »Frische, Härte, Zynismus, ein Geist wie kalter Champagner«, schreibt der bekannte Autor Martin Mosebach in der Süddeutschen Zeitung).
Droste kannte Hacks recht gut und schätzte sein Werk, insbesondere seine Liebesgedichte. Daß seine Besuche bei Hacks in der Schönhauser Allee nicht immer herzerfrischend verliefen und dennoch nie zu Zerwürfnissen führten, bezeugt eine Anekdote, die Hacks erzählt:

Anekdote über Wiglaf Droste
Der Schriftsteller Wiglaf Droste pflegte jedes Jahr eine Sammlung
seiner satirischen Glossen herauszugeben, diese trafen immer den
Kern der Ereignisse, schreckten vor nichts zurück und erregten
Schimpf und Bewunderung. Er hatte sein letztes Buch Hacks
geschickt, und eines Tages besuchte er ihn auch.
Hacks setzte Droste mit großer Vorsicht auseinander, die jüngste Sammlung sei matter ausgefallen als ihre Vorgänger. Sie ist ebenso
gut geschrieben wie alle, beteuerte er, aber die großen Begebenheiten sind in dieser Welt verblaßt, und gegen die Nichtigkeit seines Stoffs kommt kein Künstler an.
Droste verabscheut es, getadelt zu werden.
Sie sagen, sagte er böse, meine Satiren werden schlechter?
Ich sage, wiederholte Hacks geduldig, die Gegenstände Ihrer
Satiren werden schlechter.
Droste verließ Hacks nach diesem Wortwechsel,
und es dauerte Monate, bis er sich wieder bei ihm sehen ließ.

Droste, selbst ein boshaft-witziger Zeitbeobachter von Graden,
blickt mit einiger Bewunderung auf den Dichter Hacks und
dessen Umgang mit der Welt: »Mit seinen verantwortungslos
fröhlichen, unbekümmerten Versen lehrt uns Hacks: Es gibt
kein Recht auf Heiterkeitsverzicht. Mit den Plagen der Welt soll
man federleicht und reizend fertig werden, stilsicher, charmant
und mit den vollkommensten Manieren: je boshafter die Sottise,
desto höflicher der Ton. Distanziertheit ist der Schlüssel ...
Was für ein Ton! Demut, Zerknirschung, Selbstbezichtigung und hündische Dankbarkeit werden den Bürgern der ehemaligen
DDR nach 1989 abverlangt, und viele von ihnen leisten dem
unsittlichen Antrag auch würdelos begierig Folge. Hacks aber,
der Zugezogene, bleibt der Erste Geheimrat Goethe der DDR
und dichtet mit frischer Provokationslust ...«

Wiglaf Droste, 1961 in Herford / Westfalen geboren, war unter
anderem Redakteur bei taz und Titanic, veröffentlichte mehrere
Bücher und Tonträger, lebt als Journalist, Schriftsteller, Gelegenheits-
sänger und Mitglied des Benno-Ohnesorg-Theaters in Berlin.
»Die andere Wange jesusmässig hinhalten ist Quatsch mit Sosse
In seine Feinde soll man Löcher machen, und zwar grosse.«
Und das tut Wiglaf Droste dann auch - »aufrührerisch, amüsant, anstössig, komisch, entzaubernd, provozierend, apodiktisch, beleidigend, grantig oder bösartig das Widerwärtige widerwärtig nennend, und das in bestem Deutsch«, wie Franz-Josef Degenhardt schrieb. Wiglaf Droste ist solo, mit dem Spardosen-Terzett oder mit Vincent Klink unterwegs.
Gemeinsam mit Vincent Klink gibt er die Zeitschrift »Häuptling Eigener Herd« heraus.

BIBLIOGRAFIE
* Kommunikaze, 1989
* Mein Kampf, dein Kampf, 1992
* In 80 Phrasen um die Welt (zusammen mit Rattelschneck), 1992
* Am Arsch die Räuber, 1993
* Sieger sehen anders aus, 1999
* Brot und Gürtelrosen, 1995
* Der Barbier von Bebra (zusammen mit Gerhard Henschel), 1996
* Begrabt mein Hirn an der Biegung des Flusses, 1997
* In welchem Pott schläft Gott? (mit Rattelschneck), 1998
* Zen-Buddhismus & Zellulitis, 1999
* Bombardiert Belgien, 1999
* Der Mullah von Bullerbü (zusammen mit Gerhard Henschel), 2000
* Die Rolle der Frau, 2001
* Der infrarote Korsar, 2003

DISCOGRAFIE
* Grönemeyer kann nicht tanzen, 1989
* Supi! Supi! Supi!, 1993
* Die schweren Jahre ab 33, 1995
* Wieso heissen plötzlich alle Oliver?, 1996
* Mariscos y Maricones, 1999
* Für immer (mit dem Spardosen-Terzett) 2000
* Das Paradies ist keine evangelische Autobahnkirche 2001
* Wolken ziehn (mit dem Spardosen-Terzett) August 2002
* Ich schulde einem Lokführer eine Geburt, 2003